CDU entdeckt die Stadtplanung für sich neu – Zweifel am Durchhaltevermögen bleiben

„Es ist gut, dass die CDU offenbar die Stadtplanung für sich wiederentdeckt hat. In den zurückliegenden Jahren waren die Christdemokraten bei diesem Thema ja eher zurückhaltend, um es sich mit ihrem Bündnispartner, den Grünen, nicht zu verscherzen“, kommentiert SPD-Fraktionschef Rainer Marschan die mit drei Wochen Verspätung erfolgte Reaktion des CDU-Fraktionsvorsitzenden auf ein Interview mit Stadtdirektor Hans-Jürgen Best.
Die CDU scheint erkannt zu haben, dass ein schöner Slogan nicht reicht, um Menschen das Wohnen in Essen schmackhaft zu machen. Beim Bebauungsplan Phönixhütte in Kupferdreh tat sich die CDU-Fraktion im letzten Jahr noch sehr schwer und stimmte, nach einem elfjährigen Vorlauf, erst im zweiten Anlauf der Wohnbebauung zu. Auch einen SPD-Antrag zur Aktualisierung der Wohnraumnachfrageanalyse lehnte die CDU zunächst ab. „Und dem Auftrag an die Verwaltung, konkrete Flächenvorschläge für Wohnen und Gewerbe zu unterbreiten, hat man sich bis heute vehement verschlossen, während gleichzeitig öffentlichkeitswirksam ein ‚Masterplan Industrie‘ gefordert wird. Kurz gesagt: Überschriften finden sie schnell – wenn es konkret wird, hat die CDU bislang immer kalte Füße bekommen“, stellt Rainer Marschan fest.
Das Verhalten ließ sich auch bei dem Bauvorhaben an der Gummertstraße beobachten. „Es ist gerade einen Monat her, als das Vorhaben einstimmig im Planungsausschuss beschlossen wurde, da hat die CDU das Projekt gelobt und, bei allem Verständnis für die betroffenen Anwohner, vehement verteidigt. Nun, wo der Protest lauter wird, rudert Herr Kufen vorsichtig zurück. Wenn er das unter ‚Konflikte durchstehen‘ versteht, bin ich mal gespannt, wie es mit der ‚Wachsenden Stadt‘ weitergeht und ob da mehr bei rauskommt, als bei der groß angelegten Postkartenaktion zum Baldeneysee“, so Rainer Marschan weiter.
Die von Herrn Kufen geäußerte Kritik an Stadtdirektor Hans-Jürgen Best ist aus Sicht der SPD-Ratsfraktion unangemessen. „Ich kann nicht nachvollziehen, woran die CDU eine scheinbare Amtsmüdigkeit festmachen möchte. Diese Äußerungen sind populistisch und unverschämt. Der Stadtdirektor übt seinen Beigeordnetenposten besonnen aus und geht Planungen mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl an. Dass er gleichzeitig ein Freund des offenen Wortes ist, ist nicht neu und konnte in der jüngeren Vergangenheit öfter in Interviews beobachtet werden. Mit seinem Handeln füllt er das Ziel einer wachsenden Stadt besser aus, als es der CDU bislang gelungen ist.
Dabei hat er neben der Wohnbebauung auch die Entwicklung von Gewerbeflächen nicht aus den Augen verloren; ganz im Gegensatz zu einigen CDU-Bezirksvertretern, die da kontinuierlich auf der Bremse stehen“, macht Rainer Marschan deutlich.
Sollte die CDU-Ratsfraktion sich nun eines Besseren besinnen, wird sich die SPD-Fraktion dem nicht verschließen. „Dass die Schließung von Baulücken wichtiger ist als die Ausweisung ganz neuer Flächen, ist für die SPD schon lange Grundsatz. Darum haben wir uns ja auch so schwer mit der Grünen Harfe getan. Anders als die CDU, haben wir nicht schon von Vorne herein unser Einverständnis zu einer Bebauung gegeben. Erst die breit angelegte Bürgerbeteiligung hat aus unserer Sicht den Weg frei gemacht. Letztlich wurden alle Beschlüsse dazu von allen Ratsfraktionen gemeinsam getragen. Im Weiteren muss überlegt werden, wie Anreize zur Überplanung von überaltertem und unattraktivem Wohnraum geschaffen werden können. Letztlich muss auch mal ordentlich hinterfragt werden, ob all die Berufspendler sich wirklich vorstellen können, nach Essen zu ziehen. Wenn ich aus dem so genannten Speckgürtel nicht länger zu meinem Arbeitsplatz brauche, als im innerstädtischen Verkehr, ist das Umziehen womöglich gar nicht so attraktiv“, gibt Rainer Marschan zu bedenken.
Was das Leben in Essen zukünftig attraktiv macht, wird sich im Rahmen des Strategieprozesses Essen.2030 zeigen. Worum es dabei geht, scheint die CDU-Fraktion noch nicht verstanden zu haben. „Wo die CDU sich schon auf Wachstumskurs sieht und damit ihr einziges Alleinstellungsmerkmal im Viererbündnis ausmacht, geht es zunächst darum, den Schrumpfungsprozess in unserer Stadt zu stoppen. Selbstverständlich ist der Stadtdirektor in den Prozess eng eingebunden. Wie übrigens auch alle anderen Beigeordneten. Schließlich geht es hier nicht nur um die Stadtplanung der Zukunft, sondern um einen ganzheitlichen Ansatz, der auf die Menschen in unserer Stadt abzielt. Da ist die Planung nur ein, wenn auch sehr wichtiger, Teilaspekt. Andere Aspekte, wie etwa die Frage von Bildungschancen von Kindern, Sprachförderangebote, Betreuungsangebote, hat die CDU zurückliegend kontinuierlich ignoriert“, führt Rainer Marschan aus.